Ein triumphales Orgelfest in der Gebhardskirche
SÜDKURIER, 18.10.2014
Von Helmut Weidhase
Wolfgang Zerer beschließt die erste Petershauser Orgelsaison und zeigt dabei die Vielseitigkeit der neuen Winterhalter-Orgel.
Mit allen Manualen, Pedalen und Registern, einschließlich der auf- und abschwellenden Kunst-Dynamik, schien der Hamburg-Basler Professor Wolfgang Zerer beweisen zu wollen: Großer Orgelklang, Fülle der Figuren und Fugen, Massivität der Akkorde, Rasanz der Läufe und ffff-Trommelfell-Attacken sind nichts für pietistische Idylliker, zartbesaitete Meditationsträumer oder Mezzoforte-Liebhaber. Kirchenmusik vereint Klangpoesie mit Spielrhetorik, ist zuweilen auch von theatralischer Mächtigkeit, was man bei Regers Choral-Opus unüberhörbar erfahren durfte, ja musste. Denn da gab es kein Entrinnen in stillvergnügten Caecilianismus.
Der Organist, keineswegs ein Starkklang-Purist, gab ein 70-Minuten-Konzert in der gut, wenn auch nicht ganz gefüllten St. Gebhardskirche. Professor Zerer bewies in den gewählten Werken (der jüngste Komponist war 1665, der jüngste 1911 geboren), dass die neue großartige Winterhalter-Orgel für elegantes und affekthaltiges Barock ebenso taugt wie für die harmonisch geballten Reger-Ekstasen, die mit dem Rausch der Modulationen ins Triumphal-Romantische sich grandios begaben: Da wurden die Schwingungen zur physischen Macht.
Schon das „Praeambulum“ von Nicolaus Bruhns brachte Skalenglanz und Festbravour aus den Noten in den Kirchenraum. Das Musizieren überzeugte durch Klarheit der Stimmen und Wechsel der Register. Kein Früh- sondern schon Hochbarock ertönte hier. Auch die Bachsche G-Dur-Sonate war kein hausmusikalisches Übungsstück für Wilhelm Friedemann, vielmehr ein kunstreiches Duo-Konzert: Ein italienisch heiteres Vivace, ein fast melancholisches Lento, ein mit köstlichem Zierrat geschmücktes Final-Allegro. Ganz leise, von Dissonanzen unterwanderte Klänge eröffneten Jehan Alains II. Phantasie. Scharfe Gegensätze wirkten bald, als würde hier Himmelslicht gegen Erdenfinsternis als Werkbotschaft furchterregend und im Dur-Piano auch tröstlich musiziert.
Aber die Max-Reger-Phantasie „Wachet auf“ (ein Weltgerichts-Choral mit Ausdrucksvariationen durch alle Strophen!) begann dunkel, tief, furchtbar wie Musik aus Dantes Hölle. Die Pedaltöne paukten, die dichten Akkorde machten Angst (moderner Schrecken muss nicht atonal sein), die Choralmelodie kam zuerst in Bruchstücken – später in der Fuge mit allem Pfeifen- und Pedalfortissimo. Danach beruhigte sich die lauschende Seele bei frommem, französischem Legato-Spiel: Couperins „Benedictus“. Das Finalwerk (vor der Zugabe) fasste Fülle und klare Formulierung der Linien und Kontrapunkte in Bachs prachtvollem Weimarer Werk (532) zusammen. Mächtige, prächtige Toccata mit Läufen und Akkorden, eine Fuge mit Forte, locker phrasiert und festlich gesteigert. Begeisterter Dank!
So geht es weiter
Mehrere hundert Zuhörer waren im Schnitt bei den Konzerten des Orgelherbstes. Geplant ist aufgrund des Erfolgs eine Neuauflage in der Kirche St. Gebhard im kommenden Jahr. Die Eröffnung soll am 12. September 2015 wieder mit einer Filmnacht sein, für die der diesjährige Meister der Improvisation, Domorganist Johannes Mayr aus Stuttgart, erneut gewonnen werden konnte. Er plane eine Improvisation zum Stummfilm ,,Faust“, hieß es zuletzt von den Verantwortlichen.